Wir hatten das Ganze nicht wirklich gut durchdacht. Andererseits waren wir auch erst neun Jahre alt. Was konnte man da erwarten? Wir hatten die Idee, einen Dinosaurier zu finden. Keinen lebenden, denn wir wussten natürlich, dass die ausgestorben waren. Unser Ziel war es, dass Skelett eines Dinosauriers auszugraben, um reich und berühmt zu werden, auch wenn keiner von uns wusste, von wem wir Geld dafür bekommen würden. Wir hatten alle eigene Schaufeln dabei, außer Bastian. Er hatte aus der Garage seiner Eltern eine Axt mitgebracht. Das würde Ärger geben. Zum Glück regnete es. Man konnte im Regen kein Skelett suchen.
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Gekrönte Häupter aus aller Welt lassen sich von ihm verspotten. Mit tosendem Applaus. Niemand versteht es so meisterhaft wie er, die Grenzen der Narrenfreiheit auszuloten. Es ist seine Gabe, sich ungeschoren über Menschen lustig zu machen, die seinen Kopf jederzeit auf einen Pfahl spießen könnten. Umso mehr schmerzt ihn die Demütigung, die er durch diese Prinzessin erfahren hat. Nicht wie ein Narr, sondern wie ein Tölpel hatte sie ihn aussehen lassen. Ihn, den großen Marko! Das verlangt nach Rache. Er wird sie dazu bringen, freiwillig einen schleimigen Frosch zu küssen. Noch in hunderten Jahren sollen Eltern ihren Kindern davon erzählen!
Emma war die Stille nicht mehr gewohnt. In den letzten Monaten hatte ihr Telefon ständig geklingelt, sie bekam unentwegt Besuch, jeder wollte etwas von ihr. Auch wenn sie gewusst hatte, dass dieser Rummel nicht ewig anhalten würde, spürte sie eine seltsame Leere. Sie griff nach dem Buch – „Preiselbeer unter der Dusche“. Dieser Titel war durch einen Online-Generator entstanden, aber das wussten ihre Leser natürlich nicht. Der Verlag hatte vehement darauf bestanden, dass sie sich eine Entstehungsgeschichte für den Titel ausdenkt. Als wäre ein 324-seitiger Roman an sich nicht schon Fiktion genug. Bald würden die Fragen nach einem neuen Werk kommen.
Tausende Meilen entfernt wurde gerade der neue König gekrönt. Sir Edwin war sich nicht sicher, ob dies ein gutes oder ein schlechtes Omen bedeutete, als er die Stufen des kleinen Bergklosters hinaufstieg. Mit der hölzernen Schatulle unter dem linken Arm klopfte er an die schwere Tür. In Gedanken malte er sich das kommende Gespräch mit dem Abt aus. An seinen vorherigen Stationen war er freundlich empfangen, aber entschieden abgewiesen worden. Hier, am äußersten Rand des Reiches, zeigten sie sich vielleicht offener und gewährten dem Herz ihres alten Königs die letzte Ruhestätte. Sir Edwin presste die hölzerne Schatulle fest an sich.
Chris war so aufgeregt. Deutlich konnte er das vertraute Prasseln hören, das die morgendliche Stille des Hauses durchbrach. „Es regnet“ dachte er überglücklich „es regnet tatsächlich!“ Er wusste natürlich ganz genau, was dies bedeutete. Es bedeutete Freiheit und Abenteuer. Der Regen würde ihn an Orte führen, an denen er nie zuvor gewesen ist, mit Menschen und Dingen, die er noch nicht kannte. Das war eine wunderbare Abwechslung zu der Enge und Langeweile des Schirmständers. Chris war der schönste Regenschirm im ganzen Haus, das wusste er. Er war immer die erste Wahl, wenn jemand aus der Familie im Regen hinaus musste.
„Oh, du bist ein Pirat!“ Onkel Frank lachte schallend, obwohl Piraten eigentlich nicht zum Lachen waren. Ich schob meine Augenklappe nach oben, um ihn besser sehen zu können, aber Onkel Frank zog sie gleich wieder runter. „Ohne Augenklappe bist du doch kein richtiger Pirat!“ rief er laut. Es gefiel mir nicht, wie er roch. „Weißt du, was du noch brauchst, um ein richtiger Pirat zu sein?“ fragte er, während er sich zu mir hinunter beugte: „eine Flasche Rum!“ Er lachte wieder: „ein Pirat trinkt Rum!“ Ich wusste nicht, was Rum war, aber ich hoffte, dass es nicht wie Tee schmeckte.
Die letzten beiden Spiele hatte Edgar verloren. Wütend schüttelte er die Würfel in seiner Hand, während Maurice sein übliches, dummes Lächeln auf dem Gesicht hatte. „Wirfst du auch noch?“ fragte Maurice und grinste sogar noch ein bisschen dümmer, falls das überhaupt möglich war. Edgar wollte nicht wieder verlieren. Wenn es nur um Geld ginge, wäre er nicht so empfindlich, aber es ging um die Aufgabe. Wie jeden Abend saßen sie in dem dunklen Turm, durch den der Wind laut pfiff, und hielten Wache. Keine schöne, aber lohnende Arbeit. Wäre da nicht die Aufgabe. Diesmal musste er einfach gewinnen. Er warf.
Georg schlenderte mit seiner Familie die Straßen entlang. Für einen so schönen Sommertag war es ungewöhnlich leer. Die Lust der Menschen, das Wetter zu genießen, miteinander zu plaudern und Geld auszugeben, hielt sich mehr und mehr in Grenzen. Die Euphorie, die noch 1914 im ganzen Land geherrscht hatte, war längst verflogen. Georg spürte noch immer Zufriedenheit. Seine Rüstungsfirma war mit Aufträgen ausgelastet und er hatte an den richtigen Stellen glaubhaft versichern können, dass er seinen Sohn Schorsch an seiner Seite brauchte. Sein jüngster Sohn war noch zu klein für den Krieg. Georg war ein Gewinner. Die Verlierer starben zum Glück woanders.
Alle sieben Sparschweine sahen genau gleich aus, aber nur in einem befand sich Geld. Es war nicht erlaubt, sie anzufassen, geschweige denn hochzuheben. Mit einem Hammer durfte man auf gut Glück nur eines zerschlagen. So war das Spiel. Alex drehte den Hammer in seiner Hand. Er hatte jedes einzelne Schwein jetzt sicher schon zwanzig Minuten angestarrt, in der Hoffnung, einen Hinweis zu entdecken, aber da war einfach nichts. Langsam machten ihn die ausdruckslosen Gesichter der Porzellantiere richtig aggressiv. Er hob den Hammer. Mit einer Mischung aus Hoffnung und Resignation zerschlug er das dritte Schwein in der Reihe. Es war leer.
Meine Hände zitterten immer ein wenig, wenn ich ihm schrieb. Vor einigen Tagen hatte mich sein neuestes Gedicht erreicht. Es war nicht so berührend wie das letzte und einige Worte wirkten irritierend auf mich. Lag es an mir? Er war schließlich ein großer Poet und ich nur der kleine Angestellte eines Verlages, der das Glück hatte, von diesem berühmten Mann als ein Freund betrachtet zu werden. Und doch … Möglicherweise bedrückte ihn etwas. Ich musste meine Worte an ihn mit Bedacht wählen. Ich begann meine Zeilen wie gewohnt mit „Lieber Dichter“. Auch in Gedanken sprach ich seinen Namen selten aus: Goethe.
Wie an jedem Tag um diese Zeit saß Kerstin an dem kleinen Springbrunnen und zeichnete. Während sie den Bleistift über das Papier bewegte, entstanden in ihrem Kopf unzählige Bilder. Bilder von Fallschirmen am Himmel, die ein buntes Mosaik bildeten, von Blüten, die im Wind tanzten, von Wellen, die Treibholz mit sich trugen. Sie zeichnete immer schneller, der Bleistift kratzte laut auf dem Papier. Einige Passanten wollten einen Blick auf ihr Kunstwerk erhaschen, aber sie wusste das zu verhindern. Niemand sollte wissen, dass die Bilder in ihrem Kopf nur in ihrem Kopf blieben. Sie zeichnete nie etwas anderes als weinende Gesichter.
Herr Müllers Augen waren nicht mehr gut. Er brauchte eine Weile, bis er jedes Detail in dem Foyer des fremden Gebäudes erfasst hatte. Fest auf seinen Gehstock gestützt, bewegte der alte Mann sich langsam vorwärts. Früher suchten seine Wendigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit ihres gleichen. Heute war der Gehstock sein unverzichtbarer Begleiter. Er hasste das Ding, es war hässlich und würdelos, aber es erfüllte seinen Zweck. Herr Müller stellte sich neben den Mann im grauem Anzug, der auf den Fahrstuhl wartete. Mit einer Bewegung stieß Herr Müller die ausgefahrene Spitze des Gehstocks in den Fuß des Mannes. Das Gift würde bald wirken.
„Helga, wo haben wir nochmal die Feuerlöscher?“
Er hatte diesen Satz heute schon sieben Mal gehört. Nur der Teil mit der Helga war neu. Davor war es Bernd gewesen, wenn er sich recht erinnerte. Oder doch Ben? Irgendwas mit B. In seinem Beruf als Feuerlöscherprüfer war es für ihn Alltag, Büros zu betreten, in denen niemand wusste, wo die Löschgeräte hingen. Er machte sich einen Spaß daraus, auf die erste Person, die von ihren Kollegen ausgewählt wurde, für die Feuerlöscher verantwortlich zu sein, zu wetten. Er tippte darauf, dass Helga es nicht wusste.
„Neben der Garderobe!“
Ein Punkt für Helga.
Zaghaft hob er seine Hand, um zu signalisieren, dass er bereit war, heute zu sprechen. Seit er diese Meetings besuchte, hatte er erst drei oder vier Mal verbal etwas beigetragen. Meist saß er nur still auf seinem Stuhl und lauschte den Geschichten der anderen. Spannendes gab es dabei selten zu hören. Man könnte zwar meinen, dass Werwölfe ein sehr aufregendes Leben führen, dem war aber nicht so. Werwölfe schliefen ziemlich viel, außer natürlich an Vollmond. Er stand auf. Nachdem er seinen Namen genannt hatte, erzählte er von seinem letzten Opfer. Sie hieß Magda und war eine sehr schöne Kuh gewesen.