Monat: Oktober 2018

Die Aufgabe

Die Sichel am Himmel schien so schwach, dass die Bezeichnung „Mondlicht“ ein unangemessenes Kompliment gewesen wäre. Wind kam auf. Willy bemühte sich redlich, den Schweiß, der kalte Spuren auf seinem Rücken hinterließ, nicht zu beachten. Er war müde, seine Hände warfen Blasen und er musste wirklich wahnsinnig dringend pinkeln.  Doch er konnte nicht aufhören, ehe es nicht fertig war. Sie beobachteten ihn. Gerade jetzt konnte er sie nicht sehen, aber er wusste, dass sie da waren. Seit er das Vogelhaus versehentlich zerstört hatte, ließen ihn die geflügelten Biester nicht mehr in Ruhe. Mit dem neuen Vogelhaus würde er sie besänftigen.

Ein Drache im Wind

Mein rechter Arm wurde müde, daher griff ich mit der linken Hand nach der Schnur. Sie war fest, schließlich kontrollierte ich sie immer sorgfältig. Zufrieden blickte ich nach oben und beobachtete den Drachen, der im Wind seinen Tanz aufführte. Er war wunderschön. Fast hypnotisch wirkten seine Bewegungen. Mir kamen plötzlich Zweifel, ob mein linker Arm stark genug war, den Drachen zu halten. Vielleicht sollte ich beide Arme benutzen, auch wenn dies unbeholfen wirkt. Meine Konzentration ließ wirklich nur für einen kurzen Augenblick nach. Die Schnur entglitt mir und mit ihr der Drache. Wenig später hörte ich die ersten Dorfbewohner schreien.

Brotzeit

Um Punkt Sechzehn Uhr musste das Brot auf dem Tisch stehen. Selbstgebacken, natürlich. Frisch noch dazu. Hermann bestand seit dreißig Jahren darauf. Seit verfluchten dreißig Jahren! Inzwischen hießen ihre Glühbirnen „Energiesparlampen“, die Telefone waren klug wie Computer und die Computer klein wie Telefone, aber Hermann bestand wie eh und je auf seiner verdammten Brotzeit.  Erna hatte es satt. Nicht das Brot, ihr Brot war einfach vorzüglich, aber Hermanns Unbeweglichkeit ging ihr gewaltig auf die Nerven. Es würde heute wieder eine Brotzeit geben, mit selbstgebackenem Brot, ganz frisch. Nur eine Zutat würde anders sein: bisher hatte sie noch nie Rattengift verwendet.

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