Schlagwort: Nacht

Die Aufgabe

Die Sichel am Himmel schien so schwach, dass die Bezeichnung „Mondlicht“ ein unangemessenes Kompliment gewesen wäre. Wind kam auf. Willy bemühte sich redlich, den Schweiß, der kalte Spuren auf seinem Rücken hinterließ, nicht zu beachten. Er war müde, seine Hände warfen Blasen und er musste wirklich wahnsinnig dringend pinkeln.  Doch er konnte nicht aufhören, ehe es nicht fertig war. Sie beobachteten ihn. Gerade jetzt konnte er sie nicht sehen, aber er wusste, dass sie da waren. Seit er das Vogelhaus versehentlich zerstört hatte, ließen ihn die geflügelten Biester nicht mehr in Ruhe. Mit dem neuen Vogelhaus würde er sie besänftigen.

Immer im Einsatz

Eigentlich müssten überall Blaulichter sein, doch es war vollkommen dunkel. Langsam seilte ich mich die Felswand hinab, um das abgestürzte Flugzeug zu erreichen. Ich konnte es kaum ausmachen, doch ich bemerkte seine merkwürdige Form. Es erinnerte mich an einen Teller oder eine Untertasse. Wo waren meine Kollegen? Für einen solchen Einsatz reichte ein Mann nicht aus. Plötzlich wurde es hell. Unter meinen Füßen erschien ein Wirbel aus Licht. Dieser Anblick kam mir bekannt vor. Als ich nach oben blickte, sah ich die Erde. Keinen Sandboden, sondern den Planeten Erde. Da begriff ich. Es war kein Einsatz, ich schlief und träumte.

Schlaflos

134. So viele Schafe habe ich gezählt, bis es mir zu bunt wurde. Ich bin kein bisschen näher am Land der Träume wie vor den 134 Schafen. Was soll ich jetzt mit den blökenden Wollstrümpfen anfangen? Sie zu einer Pyramide stapeln? Ihnen einen Killer-Roboter auf den Hals hetzen? Die Schlaflosigkeit hat mich fest in ihren Krallen und lässt mich wirklich über die absurdesten Dinge nachdenken. In der ersten Klasse bin ich mal versehentlich mit Hausschuhen in die Schule gekommen. Das war so peinlich, daran könnte ich mich doch gerade jetzt ausführlich erinnern. Dann doch lieber wieder die doofen Schafe. 135, 136 … Oh, ein Killer-Roboter.

Die Kinder des Schlafes

Jede Nacht schicke ich meine 100 Söhne aus, den Menschen das Fürchten zu lehren, sie an fremde Orte zu entführen, ihnen das Paradies zu zeigen, sie zu erinnern und ihnen einen Spiegel vorzuhalten. Ich bin der Schlaf und meine Söhne sind die Träume. Sie erscheinen den Menschen als Monster oder als geliebte Menschen, als bekannte Gesichter oder seltsame Fremde. Mal sind sie Tiere, mal Menschen, mal eine Mischung aus beidem. Sie können fliegen, unter Wasser atmen, rennen, springen und fallen. Sie sind frei oder gefangen, verhüllt oder nackt. Sie sind alles und nichts und keiner kennt ihre Namen. Sie sind unendlich.

Der Spielplatz

Sie waren in der Nacht gekommen. Einige der Erwachsenen hatten Geräusche gehört, aber sich nicht viel dabei gedacht. Niemand hatte nachgesehen. Für die Kinder war der Anblick dieser riesigen Holzbalken, die wild durcheinander auf dem leerem Grundstück lagen, atemberaubend. Sie verstanden nicht alles, was die Erwachsenen sagten, aber offenbar hatten fremde Menschen dieses Holz einfach abgeladen und waren dann verschwunden. Einige der Kinder waren etwas ängstlich, aber die meisten spürten große Begeisterung. Sie hatten plötzlich ihren eigenen Spielplatz. Sie konnten klettern, balancieren, drunter und drüber kriechen. Der fremde Geruch des Holzes störte sie nicht. Dann wurde das erste Kind krank.

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