Schlagwort: Schiff

Die alte Frau und das Meer

Durch das Schaukeln des Schiffes war ihr ein wenig schwindelig, aber sie ließ sich nichts anmerken. Andererseits ignorierten die Männer sie ohnehin, wie sie dort an der Reling stand, mit ihren von  Arthritis zusammengekrümmten Fingern. Sie war unsichtbar. Nur eine alte Frau, die irgendwie das Geld für eine Überfahrt zusammengekratzt hatte. Sie schaute aufs Meer hinaus. Noch war der Wellengang für die erfahrenen Matrosen nicht der Rede wert. Die wenigen Wolken am Himmel mussten jedem harmlos erscheinen, der nicht wusste, was auf dem Zettel in ihrer rechten Hand stand. Es war nur ein Wort in einer sehr alten Sprache: Untergang.

Land in Sicht

Nach den vielen Wochen auf See waren die Männer völlig zermürbt. Als der lang ersehnte Ruf „Land in Sicht!“ aus dem Ausguck erklang, fühlten vom Kapitän bis zum Schiffsjungen alle große Erleichterung. Sie konnten es kaum erwarten, wieder festen Boden zu betreten. Doch er ließ sie nicht. Sie wussten nicht, was er war, aber er war riesig, viel größer als jedes menschliche Wesen, und er trug einen gigantischen Helm auf seinem Kopf. In manchen Momenten, wenn der Wind ihm frisch um die Nase wehte, glaubte der Kapitän, in dem Riesen nur eine Klippe mit einem runden Steinbrocken darauf zu erkennen.

Die weite Welt

„Es tut mir Leid, Vater, aber ich möchte nicht mein ganzes Leben damit verbringen, Heu auszufahren. Ich möchte etwas von der Welt sehen!“ Meine Worte klangen in meinen Ohren nach. Was bin ich doch für ein Schaf gewesen! Jetzt saß ich in dieser Nussschale von einem Schiff, das von den Wellen wild hin und her geschleudert wurde. Ich vermisste die Bäume, die Blumen, den Gesang der Vögel, aber ganz besonders vermisste ich den festen Boden. Eine weitere Welle traf das Schiff und warf mich gegen die Wand. Als ich mich aufrappelte, wartete schon die nächste Welle. Eine Welle der Übelkeit.

© 2024 drabble100

Theme von Anders NorénHoch ↑