Schlagwort: Tiere

Der Job

Ich bin ein Schaf. Dessen war ich mir ziemlich sicher, auch wenn ich noch nie in einen Spiegel gesehen habe. Als Schaf sollte ich nicht arbeiten müssen, denn ich werde nicht bezahlt. Man sollte keine Leistungen von mir erwarten, schließlich ist meine Dummheit sogar sprichwörtlich. Trotzdem habe ich einen Job und bin verdammt gut darin. Ich mähe Rasen. Dazu brauche ich keinen Motor, kein Treibstoff und niemanden, der mich ein- und ausschaltet. Ich mähe den ganzen Tag. Dafür erwarte ich keine Dankbarkeit, denn ich tue es gerne. Meine Kollegen sehen dies ähnlich, denke ich. Wir sprechen selten miteinander.

Schlaflos

134. So viele Schafe habe ich gezählt, bis es mir zu bunt wurde. Ich bin kein bisschen näher am Land der Träume wie vor den 134 Schafen. Was soll ich jetzt mit den blökenden Wollstrümpfen anfangen? Sie zu einer Pyramide stapeln? Ihnen einen Killer-Roboter auf den Hals hetzen? Die Schlaflosigkeit hat mich fest in ihren Krallen und lässt mich wirklich über die absurdesten Dinge nachdenken. In der ersten Klasse bin ich mal versehentlich mit Hausschuhen in die Schule gekommen. Das war so peinlich, daran könnte ich mich doch gerade jetzt ausführlich erinnern. Dann doch lieber wieder die doofen Schafe. 135, 136 … Oh, ein Killer-Roboter.

Liebe auf den ersten Blick

Wir wussten beide, dass es nicht gut enden würde. Okay, ich wusste es. Eigentlich hatte ich Tanja nur in die Zoohandlung begleitet, um ihr beim Tragen des Tierfutters zu helfen, das sie für ihre Katzen brauchte.  Jetzt konnte ich meinen Blick nicht mehr von dem Aquarium wenden. Dieser eine Fisch. Er war etwas klein geraten im Vergleich zu den anderen, aber seine Persönlichkeit überstrahlte die seiner Brüder und Schwestern bei weitem. Ich musste ihn haben. Wir würden beide unglücklich werden, er vermutlich mehr als ich, aber es führte kein Weg daran vorbei. Wo die Liebe hinfiel, da machte es Platsch.

Die weite Welt

„Es tut mir Leid, Vater, aber ich möchte nicht mein ganzes Leben damit verbringen, Heu auszufahren. Ich möchte etwas von der Welt sehen!“ Meine Worte klangen in meinen Ohren nach. Was bin ich doch für ein Schaf gewesen! Jetzt saß ich in dieser Nussschale von einem Schiff, das von den Wellen wild hin und her geschleudert wurde. Ich vermisste die Bäume, die Blumen, den Gesang der Vögel, aber ganz besonders vermisste ich den festen Boden. Eine weitere Welle traf das Schiff und warf mich gegen die Wand. Als ich mich aufrappelte, wartete schon die nächste Welle. Eine Welle der Übelkeit.

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