Eigentlich müssten überall Blaulichter sein, doch es war vollkommen dunkel. Langsam seilte ich mich die Felswand hinab, um das abgestürzte Flugzeug zu erreichen. Ich konnte es kaum ausmachen, doch ich bemerkte seine merkwürdige Form. Es erinnerte mich an einen Teller oder eine Untertasse. Wo waren meine Kollegen? Für einen solchen Einsatz reichte ein Mann nicht aus. Plötzlich wurde es hell. Unter meinen Füßen erschien ein Wirbel aus Licht. Dieser Anblick kam mir bekannt vor. Als ich nach oben blickte, sah ich die Erde. Keinen Sandboden, sondern den Planeten Erde. Da begriff ich. Es war kein Einsatz, ich schlief und träumte.
Autor: Maret (Seite 3 von 8)
Vermutlich hatte er so eben einen neuen Rekord aufgestellt. Dies war bereits sein fünfter Tag im Praktikum und er hatte noch gar nichts gemacht. Kein einziges Blatt kopiert, keinen Kaffee gekocht, keinen Papierkorb geleert. Er war der nutzloseste Praktikant aller Zeiten und das machte ihn verdammt stolz. Den ganzen Tag versteckte er sich in irgendeinem Raum, der gerade frei war, und blieb völlig unsichtbar. Aus den Augen, aus dem Sinn. Er war ein Geist, da und doch nicht da, auf keinem Radar zu erkennen, ohne feste Materie. Er fand das durchaus sehr beachtlich, immerhin war es die Firma seines Vaters.
Mein „großer“ Bruder sah mich an, als wäre ich komplett verrückt geworden. Er war nicht wirklich größer als ich, wir waren alle keinen Meter groß, aber er lebte schon länger als ich. „Was ist das?“ fragte er mich und zeigte auf den Gegenstand in meiner Hand „und wo ist deine Spitzhacke?“ Seine Stimme klang schrill. „Ich habe getauscht“ erklärte ich zufrieden. „Ge…“ mein Bruder war fassungslos „du hast deine Spitzhacke gegen dieses Ding getauscht?“ Er sah jetzt aus, als würde er mich am liebsten an den nächsten Baum fesseln. Ich grinste: „Wer sagt denn, dass Zwerge keinen Dreizack haben dürfen?“
In meinen Adern brannte der Zorn. Mit weit aufgerissenen Augen starte ich ihn an, mein Atem ging schwer. Als einziges Geräusch durchbrach ein leises Klicken die bedrohliche Stille. Als er sich bewegte, fletschte ich die Zähne. Das Schlachtermesser lag locker in meiner rechten Hand und gab mir doch ein Gefühl der Macht. Ich kniff meine Augen nun eng zusammen, um ihn besser sehen, jede seiner Bewegungen wahrnehmen zu können. Ich atmete tief ein und … „Britta, entspann dich!“ Der Fotograf lugte hinter seiner Kamera hervor: „wir fotografieren dich nur halsabwärts, du musst diese ganzen Grimassen nicht schneiden.“ Ich vergeudete mein Talent.
Rechtschreibung und Grammatik sind in Ordnung, das kann ich ihm aber nicht sagen. Es würde viel zu gönnerhaft klingen. Ich muss etwas Nettes über die Handlung äußern, irgendwas. Im Kopf gehe ich nochmal alles durch. Seine Geschichte beginnt mit einem alten Mann, der vergisst, seine Brille zum Pilze sammeln mit zu nehmen und daher versehentlich zu giftigen Pilzen greift. Soweit so gut, nur etwas erstaunlich, dass er ohne Brille keine Pilze unterscheiden, aber sicher durch den Wald laufen und wieder nach Hause fahren kann, wo er dann die giftigen Pilze zubereitet, statt dort endlich seine Brille aufzusetzen … irgendwas Positives. Irgendwas.
Jeden Morgen, wenn Melanie den Trödelladen betrat, in dem sie seit gut vier Jahren arbeitete, fiel ihr Blick zunächst auf den Filzhut. Er war im Laufe der Zeit durch den Raum gewandert, von der linken Seite, zur Mitte, zur rechten Seite und wieder zur Mitte. Doch egal, wo er gerade lag, Melanie sah ihn immer sofort. Er war langweilig, nicht schön genug, um sich für einen Retro-Look zu eignen und nicht hässlich genug für ein Kostüm. Sie hätte ihn schon längst aussortieren sollen, er würde sich nie verkaufen, aber auf seltsame Art vermittelte er ihr Geborgenheit. Er war immer da.
Hat er gerade wirklich „Handstand im Sturm“ gesagt? Ich versuchte mich aus meinem leichten Dämmerschlaf zu lösen und der Vorlesung wieder zu folgen. Oder war es „Handschuh im Turm“? Nein, das ergab auch keinen Sinn. Seufzend stellte ich meine Bemühungen ein und ließ meine Gedanken abermals abschweifen, während die monotone Stimme des Professors durch den Raum schlich. Ich hätte wirklich wahnsinnig gerne Superkräfte. Ganz egal welche. Fliegen zu können wäre schon cool, mit Telekinese könnte man allerdings viel mehr anstellen. Die Fähigkeit des Gedankenlesens stellte ich mir etwas anstrengend und vermutlich ernüchternd vor. Hat er gerade „Vogel im Schloss“ gesagt?
Früher, als die Welt noch so war, wie sie sein sollte, zählte er zu den Versagern. Er gehörte zu den Menschen, die nie etwas Besonderes taten, nichts gut konnten und keine Spuren hinterließen. Dies zu ändern hatte nur einer kleinen Zombie-Apokalypse bedurft. Seit Millionen von Untoten die letzten verbliebenen Menschen bedrohten, war er jemand. Er war ein Überlebender, ein Kämpfer, eine Zombietötungsmaschine. Gerade hatte er wieder zwei der Stinker erledigt. Als er sich zu seiner Gruppe umdrehte, verschwamm plötzlich alles vor seinen Augen. Er seufzte. Mehr als eine Stunde virtuelle Realität in der Woche konnte er sich leider nicht leisten.
Der Sommer 1927 versprach ein besonderer in der Geschichte unserer Stadt zu werden. Das Freilichttheater, das im Jahr zuvor feierlich eröffnet worden war, erfreute sich immer größerer Beliebtheit. Viele neue Stücke waren für die kommenden Monate in Planung. Nur Tell war nicht zufrieden. Seinen richtigen Namen hatten die meisten Bürger längst vergessen, er wurde nur noch nach der Figur benannt, die er auf der Bühne verkörperte: Wilhelm Tell. Auf einer Sitzung hatte er seinem Ärger zum wiederholten Male Luft gemacht. Nun standen die Organisatoren vor einem großen Dilemma. Sollten sie wirklich ein Schild mit“ Bei der Apfelschussszene bitte nicht lachen“ aufstellen?
Die Menschen ärgern sich oft, wenn sie uns sehen, aber sie würden sich noch viel mehr ärgern, wenn sie uns hören könnten. Meine Schwestern lieben es zu lästern. Den ganzen Tag und die ganze Nacht tuscheln sie miteinander. Ich bin mittendrin, ob ich will oder nicht. Nur wenigen Gänseblümchen ist das Glück vergönnt, Einzelkinder zu sein. Wir gelten nicht als schön und wir sind selten willkommen, das befreit uns davon, nett und anständig sein zu müssen. Jede Rose würde augenblicklich ihre Blüten verlieren, müsste sie uns zuhören. Meine Schwestern mögen eingepflanzte Rosen gar nicht. Nur Rasenmäher hassen sie noch mehr.
Mein Blick schweifte über das, was einmal ein einladendes Wohnzimmer gewesen war. Jetzt herrschte das pure Chaos. Das Sofa und die Sessel waren aufgeschlitzt, zwei Regale umgeworfen und Stücke des Teppichs fehlten. Hier in New York überraschte mich nicht mehr viel, aber dieser Tatort war grotesk. Eine Kollegin in Uniform überreichte mir das im durchsichtigen Beutel verschlossene Beweisstück. Ich betrachtete es von allen Seiten. Man konnte wenig darauf erkennen, aber ich wusste bereits, dass das komplette Puzzle ein Sternbild ergab. Dieses letzte Teil hatte der Verdächtige gesucht. Erst verzweifelt, dann rasend. Es zu verstecken hatte seinem Mitbewohner das Leben gekostet.
Der junge Arzt, ich schätzte ihn auf Anfang oder Mitte 30, sah erst mich an, dann die Akte in seiner Hand, daraufhin wieder mich und schließlich erneut die Akte. Die Reaktion überraschte mich nicht. Manchmal machte ich mir einen Spaß daraus, neue Ärzte aus der Fassung zu bringen, aber heute war mir nicht danach. Mein Kopf hämmerte. „Ich brauche etwas gegen Kopfschmerzen“ erklärte ich ganz sachlich. Freilich brachte ihn das auch aus dem Konzept. Niemand würde je vermuten, dass ich wegen meines Kopfes in einer Arztpraxis war. Mein Kopf sah völlig normal aus. Er war nicht grün oder hatte scharfe Krallen.
„Aber wozu?“ Der junge Mann konnte es nicht verstehen. Kopfschüttelnd blickte er auf den Berg alter Reifen, der nur einer von vielen dieser Art auf dem Grundstück war. Herbert zuckte kaum merklich mit den Achseln: „Er mochte es halt“. Diese Worte schienen den Jungspund noch fassungsloser zu machen. Herbert beschloss, das Gespräch auf seine übliche Weise zu beenden: er ging einfach weg. Natürlich war es merkwürdig gewesen, dass der alte Josef bis kurz vor seinem Tod diese ganzen abgenutzten, wertlosen Reifen gesammelt hatte. Jetzt mussten sich seine Erben um die Entsorgung kümmern. Vielleicht war es doch gar nicht so merkwürdig.
Als ich in die Straße einbog, tanzten sofort unzählige Blaulichter vor meinen Augen. Ich spürte, wie mich die Emotionen überwältigten. Ich war beunruhigt, ängstlich, nervös und absolut erleichtert. Endlich hatten sie seine Leiche gefunden! Seit geschlagenen drei Tagen wartete ich bereits darauf. Meinen ehemaligen Geschäftspartner hatte die letzten 72 Stunden offenbar niemand vermisst. Das wunderte mich nicht besonders. Der Saturn bekam mehr Besuch als dieser Mann. Im Vorbeifahren warf ich einen Blick auf die Polizeiautos. Mein Herz setzte für einen Moment aus, als ich realisierte, dass sie vor dem falschen Haus standen. Fassungslos drehte ich mich um. Dann krachte es markerschütternd.
Aus der Traum. Ende Gelände. Schicht im Schacht. Gerd fallen viele Redewendungen ein, um an das eine Wort nicht denken zu müssen: Versagen. Er hatte einen verrückten Traum gehabt und war damit auf die Nase gefallen. Er konnte jetzt den Handwerkern die Schuld geben, die ihn über einen Tisch gezogen haben, denn sie selbst nie im Leben zimmern könnten, oder der Bank, die ihm kein Geld mehr leihen wollte, obwohl er bei jedem verdammten Meeting eine Krawatte getragen hatte. Das half ihm aber auch nicht weiter. So viel ärmer er um Euros war, so viel reicher war er an Erfahrung.
Ihr ganzes Leben lang ist sie perfekt gewesen. Erst die perfekte Tochter, die ihren Eltern gehorchte, dann die perfekte Hausfrau, die ihrem Mann jeden Wunsch von den Lippen ablas. Diese Person gab es jetzt nicht mehr. Der Sommer 1934 war ihr Sommer der Unabhängigkeit. Sie tat nur noch, was sie wollte, wann sie es wollte. So lange sie es noch konnte. Bald würde alles in sich zusammenstürzen. Sie besaß kein eigenes Einkommen, sie wusste nicht, wohin sich ihr Mann mit seiner blutjungen Geliebten abgesetzt hatte und jeder würde ihr die Schuld geben. Die Zeit bis dahin wollte sie einfach nur genießen.