„Als ich jung war, gingen dauernd diese Kettenbriefe herum“ erzählte der Mann mit tiefer Stimme „ich hab das ja auch nie ernst genommen, bis …“ Der Barkeeper verdrehte innerlich die Augen, ließ sich aber nichts anmerken. In seinem Beruf hörte er viele Stories. „… ich einmal einen Kettenbrief zerrissen habe“ fuhr der Mann fort. „Am nächsten Tag stürzte ich vom Fahrrad und brach mir das Bein.“ Der Barkeeper schwieg. Sein Gast sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an: „Du denkst, ich spinne?“ Bevor der Barkeeper antworten konnte, reichte ihm der Mann einen zerknitterten Briefumschlag rüber: „Na los, zerreiß ihn!“ Dem Barkeeper wurde schlecht.
Schlagwort: Brief
Meine Hände zitterten immer ein wenig, wenn ich ihm schrieb. Vor einigen Tagen hatte mich sein neuestes Gedicht erreicht. Es war nicht so berührend wie das letzte und einige Worte wirkten irritierend auf mich. Lag es an mir? Er war schließlich ein großer Poet und ich nur der kleine Angestellte eines Verlages, der das Glück hatte, von diesem berühmten Mann als ein Freund betrachtet zu werden. Und doch … Möglicherweise bedrückte ihn etwas. Ich musste meine Worte an ihn mit Bedacht wählen. Ich begann meine Zeilen wie gewohnt mit „Lieber Dichter“. Auch in Gedanken sprach ich seinen Namen selten aus: Goethe.