Schlagwort: Angst

Land in Sicht

Nach den vielen Wochen auf See waren die Männer völlig zermürbt. Als der lang ersehnte Ruf „Land in Sicht!“ aus dem Ausguck erklang, fühlten vom Kapitän bis zum Schiffsjungen alle große Erleichterung. Sie konnten es kaum erwarten, wieder festen Boden zu betreten. Doch er ließ sie nicht. Sie wussten nicht, was er war, aber er war riesig, viel größer als jedes menschliche Wesen, und er trug einen gigantischen Helm auf seinem Kopf. In manchen Momenten, wenn der Wind ihm frisch um die Nase wehte, glaubte der Kapitän, in dem Riesen nur eine Klippe mit einem runden Steinbrocken darauf zu erkennen.

Rache ist kein Schokopudding

Auch wenn ein Schokopudding mal nicht perfekt gelingt, schmeckt er immer noch gut. Es passiert einfach nicht, dass man von Schokolade enttäuscht wird.  Bei Rache ist das anders. Mia hatte sich in ihrem Kopf alles perfekt ausgemalt. Wie sie ihn in seiner eigenen Wohnung überraschen würde, wie sie ihm die Waffe unter die Nase hält und ihn zwingt, sich für alles zu entschuldigen. Jetzt stand sie in seinem Wohnzimmer, hielt die Waffe auf ihn gerichtet und er ruinierte alles. Heulend und zitternd saß er auf dem Boden, vor Angst bekam er kein Wort über die Lippen. Kein Schokopudding, nur Realität.

Monster

Aus meinen Tränen der Angst waren längst Tränen der Wut geworden. Niemand wollte mir glauben, dass in meinem Schrank ein Monster lebte. Es sah aus wie eine riesige Schlange mit einem Kopf, aus dem lauter kleine Schlangen wuchsen. Ich hasste Schlangen. Wie konnte ich meine Familie nur überzeugen, dass ich nicht – wie hatte mein Papa es nochmal genannt – „fantasinierte“? Dann dachte ich daran, was mein großer Bruder mir erzählt hatte. Er sagte, dass ein Schlangenmonster niemals so gemein sein könnte wie der Schwarze Mann. Ich kannte den Schwarzen Mann nicht, aber vielleicht konnte er das Schlangenmonster ja für mich verjagen?

Angst machen

Sie würde am Abend ganz alleine in der halb verfallenen Hütte sein. Während eines Gewitters. Er konnte sich gut vorstellen, wie sie bei jedem Blitz zusammenzucken wird. In seinem Kopf malte er sich all die Möglichkeiten aus, sie zu erschrecken. Er freute sich darauf, sie richtig in Angst zu versetzen, ihr einen Schauer nach dem anderen über den Rücken zu jagen. In seiner Fantasie war sie bereits ein Häufchen Elend. Er dachte an Wolfsgeheul in der Ferne und plötzliches Klopfen an der Tür. Seine Gedanken kreisten immer wilder. Er konnte es wirklich kaum noch erwarten, die Geschichte endlich zu schreiben.

Der Angriff

Hektisch rüttelte sie an dem Schlüssel, der sich völlig im Schloss verhakt hatte. Das passierte bei ihrer Haustür häufig, aber in diesem Moment war es das schlimmste, was ihr widerfahren konnte. Sie spürte die Bedrohung in ihrem Nacken.  Er kam näher, nur langsam zwar, aber unbestreitbar direkt auf sie zu. Panik überfiel sie. Für einen Moment dachte sie daran, das Feuerzeug in ihrer Tasche als Waffe zu benutzen, aber das erschien ihr gleich darauf lächerlich. Endlich löste sich der Schlüssel, aber die Tür blieb verschlossen. Jetzt war es zu spät. Er war neben ihr, berührte sie leicht. Dieser widerliche Käfer.

Die Angst

Er begann heftig zu schwitzen. Es war stickig in dem vollbesetzten Büro, aber daran lag es nicht. Der Laptop war der Grund. Das unscheinbare Gerät stand mitten auf dem Tisch, noch zugeklappt. Dieser Laptop würde sein Verderben sein. Diese wichtigen oder sich selbst für wichtig haltenden Männer und Frauen um ihn herum würden den Kopf über ihn schütteln. Ihn, den Anfänger. Ihr Missfallen wird ihnen ins Gesicht geschrieben sein. Sobald sie die neue Firmenwebseite aufrufen, wäre er entlarvt als nachlässig, unorganisiert, langsam. Gleich werden es alle erfahren. Die Zeit läuft ab. Sie werden entdecken, dass sein Büro kein WLAN hat.

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