Kategorie: Böse (Seite 2 von 2)

Der erste Tag

So hatte er sich seinen ersten Tag im neuen Job wirklich nicht vorgestellt. Es war noch nicht einmal Feierabend und er hatte schon ungefähr 20 Mal duschen müssen. Das war aber noch harmlos gegen die vielen Nadeln, die in ihn gesteckt wurden, und die unzähligen Fragen, die er beantworten musste. Ihm tat gar nichts weh. Er hatte sich nur ein bisschen geschnitten und ein Pflaster auf die Wunde geklebt. Leider ist das, woran er sich geschnitten hatte, doch nicht nur „irgendein Ding“ gewesen und nun würde er seine Stelle vermutlich wieder verlieren. Erst einmal musste er allerdings aus dieser Quarantäne raus.

Rache ist kein Schokopudding

Auch wenn ein Schokopudding mal nicht perfekt gelingt, schmeckt er immer noch gut. Es passiert einfach nicht, dass man von Schokolade enttäuscht wird.  Bei Rache ist das anders. Mia hatte sich in ihrem Kopf alles perfekt ausgemalt. Wie sie ihn in seiner eigenen Wohnung überraschen würde, wie sie ihm die Waffe unter die Nase hält und ihn zwingt, sich für alles zu entschuldigen. Jetzt stand sie in seinem Wohnzimmer, hielt die Waffe auf ihn gerichtet und er ruinierte alles. Heulend und zitternd saß er auf dem Boden, vor Angst bekam er kein Wort über die Lippen. Kein Schokopudding, nur Realität.

Manche Verbrechen lohnen sich

Ich war ein Dieb. Heimtückisch und verschlagen. Ich hatte einem Menschen etwas gestohlen, das ihm viel bedeutete. Er würde weinen, garantiert sogar. Jetzt stand ich mitten im Wald und grub ein Loch, um die Beute zu verstecken. Gut fühlte ich mich nicht, mir war kalt und ich war müde, aber Reue empfand ich keine. Im Grunde war es Notwehr. Nicht nur ich, jeder normale Mensch in der Nachbarschaft spürte körperlichen Schmerz, wenn der jüngste Sohn der Klostermanns auf dem verdammten Saxophon zu spielen begann. Es klang wie eine übermüdete Katze, die mit einem erkälteten Huhn stritt. Das Saxophon musste weg.

Glück im Spiel

Ich war immer der Letzte, der die Kabine verließ und aufs Spielfeld kam. Immer. Meine Mannschaftskollegen dachten, dass ich abergläubisch wäre und länger zurückblieb, damit es uns Glück brachte. Das war natürlich Quatsch. Weder war ich abergläubisch, noch ging es um etwas so profanes wie Glück im Spiel. Keiner meiner Mannschaftskollegen ahnte, in welcher Gefahr sie waren. Ich hielt die Lampe vor ihnen versteckt. Sie lag in meiner Sporttasche, mit Handtüchern umwickelt . Sobald ich alleine in der Kabine war, packte ich sie aus und rieb sie. So wehrte ich den Fluch ab. Nie wieder würde ein Blitz ins Spielfeld einschlagen.

Die Vogelscheuchen

Sie trugen bunte Sachen, waren geschmückt mit farbenfrohen Blättern und ihre aufgestickten Münder lächelten – und doch spürte Lily, dass sie böse waren. Mit ihren sieben Jahren wusste Lily nicht viel über das Böse, aber manche Dinge muss man nicht verstehen, um sie zu erkennen. Leider waren die Erwachsenen nicht so aufmerksam. Lilys Eltern machten, wie Stadtmenschen das so tun, wenn sie zum Urlaub aufs Land fahren, permanent Fotos und irritierten die Einwohner. Lily behielt lieber die Vogelscheuchen im Auge. Sie war zu schlau, ihnen den Rücken zu zukehren. Sie hörte ein Wispern. Vielleicht war es der Wind in den Bäumen.

Noch ein Erinnerungsfoto

Er machte das nächste Bild von mir. „Mit dem Boot im Hintergrund“ wie er betonte. Innerlich stieß ich einen Seufzer aus. Wir hatten 1932, da war ein Foto von einem Boot nun wirklich keine Besonderheit mehr. Mein Mann war einfach besessen von seiner Kamera. Ich meinerseits konnte es kaum erwarten, sie auf seinem Schädel zu zertrümmern. Nein, mahnte ich mich selbst, das sollte ich besser nicht tun. So viel mehr gab es ja nicht zu erben. Oh ja, und wie ich bald erben würde! Diese Reise war die perfekte Gelegenheit. Mein Plan stand seit Monaten. „Noch ein Erinnerungsfoto?“ fragte er mich.

Angst machen

Sie würde am Abend ganz alleine in der halb verfallenen Hütte sein. Während eines Gewitters. Er konnte sich gut vorstellen, wie sie bei jedem Blitz zusammenzucken wird. In seinem Kopf malte er sich all die Möglichkeiten aus, sie zu erschrecken. Er freute sich darauf, sie richtig in Angst zu versetzen, ihr einen Schauer nach dem anderen über den Rücken zu jagen. In seiner Fantasie war sie bereits ein Häufchen Elend. Er dachte an Wolfsgeheul in der Ferne und plötzliches Klopfen an der Tür. Seine Gedanken kreisten immer wilder. Er konnte es wirklich kaum noch erwarten, die Geschichte endlich zu schreiben.

Nur für die Kunst

Warten zählt nicht zu meinen Stärken. Daran muss ich arbeiten, wenn ich es ernst mit der Fotografie meine. Schließlich kann bis zum „richtigen Moment“ schon mal eine Weile vergehen. So wie jetzt. Ich liege auf der Lauer, die Kamera perfekt ausgerichtet auf den jungen Mann mit den Kopfhörern. Er ist der Welt förmlich entrückt. Die drei Jungs, die sich wild einen Ball zu schießen, entgehen völlig seiner Aufmerksamkeit – und er ihrer. Es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis die  Burschen den Kopfhörerträger mit ihrem Ball abschießen. Das ist der Moment, auf den ich lauere. Nur für die Kunst.

Die Waffennarren

Rudolf und ich teilen uns seit drei Jahren ein Labor. Er ist Experte für Waffen der Antike, ich für Waffen des Mittelalters. Unsere Kollegen nennen uns gerne „die Waffennarren“, sowohl wegen unserer Profession als auch wegen unseres Hanges zu heftigen Streitereien am Rande der Gewalttätigkeit. Wenn ich mich mit einer Waffe beschäftige, stelle ich mir gerne vor, welche Schäden sie bei Rudolf anrichten würde. In meinen Gedanken habe ich ihn sicher schon dreihundert Mal brutal ermordet. Zur Zeit untersuche ich einen Morgenstern, eine Art Knüppel mit spitzen Metallstacheln. Ich kann es kaum erwarten, dass Rudolf morgen aus dem Urlaub kommt.

Das Mordkomplott

Die beiden Frauen wechselten eindringliche Blicke. Beide versuchten der anderen ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen. „Ich schlage zuerst zu“ erklärte die Ältere mit leicht bebender Stimme „dann bist du an der Reihe.“ Sie schluckte und fügte kaum hörbar die Worte „Falls es noch nötig sein sollte“ hinzu. Die jüngere Frau nickte. Sie hoffte, dass ihr Opfer schon nach der ersten Attacke tot wäre. Gewalt in jeder Form war ihr zuwider, aber diesen Eindringling hasste sie noch viel mehr. Schon sein Anblick ließ sie Abscheu spüren. Die Ältere griff nach ihrer Waffe.  Mit zitternden Händen näherte sie sich der Spinne.

Vorsicht, Gefahr!

„Als ich jung war, gingen dauernd diese Kettenbriefe herum“ erzählte der Mann mit tiefer Stimme „ich hab das ja auch nie ernst genommen, bis …“ Der Barkeeper verdrehte innerlich die Augen, ließ sich aber nichts anmerken. In seinem Beruf hörte er viele Stories. „… ich einmal einen Kettenbrief zerrissen habe“ fuhr der Mann fort. „Am nächsten Tag stürzte ich vom Fahrrad und brach mir das Bein.“ Der Barkeeper schwieg. Sein Gast sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an: „Du denkst, ich spinne?“ Bevor der Barkeeper antworten konnte, reichte ihm der Mann einen zerknitterten Briefumschlag rüber: „Na los, zerreiß ihn!“ Dem Barkeeper wurde schlecht.

Tempo 120

Seine Frau hasste es, wenn er so schnell fuhr. Er hatte ihr versprochen, rücksichtsvoller und vorsichtiger zu sein, auch dann, wenn sie nicht neben ihm saß. Nicht, dass ihm dieses Versprechen nichts bedeutete, aber gerade jetzt konnte er keine Rücksicht darauf nehmen. Er durfte nicht zu spät kommen. Das war keine Option. Viel zu selten bot sich ihm eine solche Gelegenheit. Endlich näherte er sich der Stelle. Pure Erleichterung durchströmte ihn, als er sah, dass der Anhalter noch dort stand. Der Anhalter, von dem er zwei Kollegen hatte sprechen hören. Den sicher niemand mitnehmen würde. Niemand, der kein Verrückter war.

Der Angriff

Hektisch rüttelte sie an dem Schlüssel, der sich völlig im Schloss verhakt hatte. Das passierte bei ihrer Haustür häufig, aber in diesem Moment war es das schlimmste, was ihr widerfahren konnte. Sie spürte die Bedrohung in ihrem Nacken.  Er kam näher, nur langsam zwar, aber unbestreitbar direkt auf sie zu. Panik überfiel sie. Für einen Moment dachte sie daran, das Feuerzeug in ihrer Tasche als Waffe zu benutzen, aber das erschien ihr gleich darauf lächerlich. Endlich löste sich der Schlüssel, aber die Tür blieb verschlossen. Jetzt war es zu spät. Er war neben ihr, berührte sie leicht. Dieser widerliche Käfer.

Die Angst

Er begann heftig zu schwitzen. Es war stickig in dem vollbesetzten Büro, aber daran lag es nicht. Der Laptop war der Grund. Das unscheinbare Gerät stand mitten auf dem Tisch, noch zugeklappt. Dieser Laptop würde sein Verderben sein. Diese wichtigen oder sich selbst für wichtig haltenden Männer und Frauen um ihn herum würden den Kopf über ihn schütteln. Ihn, den Anfänger. Ihr Missfallen wird ihnen ins Gesicht geschrieben sein. Sobald sie die neue Firmenwebseite aufrufen, wäre er entlarvt als nachlässig, unorganisiert, langsam. Gleich werden es alle erfahren. Die Zeit läuft ab. Sie werden entdecken, dass sein Büro kein WLAN hat.

Der alte Mann

Herr Müllers Augen waren nicht mehr gut. Er brauchte eine Weile, bis er jedes Detail in dem Foyer des fremden Gebäudes erfasst hatte. Fest auf seinen Gehstock gestützt, bewegte der alte Mann sich langsam vorwärts. Früher suchten seine Wendigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit  ihres gleichen. Heute war der Gehstock sein unverzichtbarer Begleiter. Er hasste das Ding, es war hässlich und würdelos, aber es erfüllte seinen Zweck. Herr Müller stellte sich neben den Mann im grauem Anzug, der auf den Fahrstuhl wartete. Mit einer Bewegung stieß Herr Müller die ausgefahrene Spitze des Gehstocks in den Fuß des Mannes. Das Gift würde bald wirken.

Unbekanntes Terrain

Der Lichtkegel der Taschenlampe streifte die zerklüftete Wand, vielleicht zum ersten oder schon zum sechzigsten Mal, das wusste er nicht genau. An diesem Ort sah alles gleich aus. Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es gibt in diesem Jahrhundert nicht mehr viele Menschen, die von sich behaupten können, sich in einer ägyptischen Pyramide verlaufen zu haben. Das passiert nur noch Charakteren in Horrorfilmen oder ungeschickten Archäologen. Er war leider kein Charakter in einem Horrorfilm. Auf hilfreiche Geräusche hoffend, beendete er die gedankliche Unterhaltung mit sich selbst. Es war nichts zu hören. Nur sein eigener Atemzug als die Taschenlampe erlosch.

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